Die schöne und edle Frakturschrift war fast 400 Jahre lang die bevorzugte Druckschrift im deutschen Raum, bis sie dann durch die Nationalsozialisten unrühmliche Bekanntheit erlangte. Die haben sie verwendet, weil sie ja so Deutsch ist. Aber 1941 wurde Fraktur vom Regime mittels eines Erlasses geächtet und als «Judenlettern» bezeichnet. Der Ruf der Schrift wurde somit wieder rehabilitiert.
Anfang der 60er Jahre wurde der Sportbekleidungshersteller Lonsdale gegründet und mit dem Werbeträger Muhammad Ali weltbekannt. Paradoxerweise wurde genau die Bekleidung dieser Firma, die ein schwarzer muslimischer Boxer bekannt gemacht hat, Anfang der 90er-Jahre zum Aushängeschild der Neonazis. Die Firma Lonsdale wehrte sich jahrelang vehement mit Werbekampagnen gegen das Image, das ihr angehängt wurde. Mit Erfolg. Ihr Ruf wurde wieder rehabilitiert.
Und wieso erzähle ich das? Weil es um Symbole geht. Die werden vielfach verwendet, um eine Zugehörigkeit zu signalisieren, um sich abzugrenzen von anderen. Und die können leider von allen Ideologien missbraucht und gekapert werden.
Eine Ideologie, die sich auf der gegenüberliegenden politischen Seite befindet, hat bereits einen Namen: Wokeness. Diese Bewegung kapert teilweise auch Symbole für um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. In Bern wurde ein Konzert einer weissen Reggae-Band abgebrochen, weil sich ein paar woke Zuschauer wegen der Rasta-Frisur des weissen Gitarristen unwohl fühlten. Warum sollten weisse Menschen, die sich ja für diese Musik und Kultur begeistern, keine Rastas tragen dürfen? Ja, ich weiss, Rastas wurden auch als Zeichen des Widerstandes gegen die weissen Unterdrücker getragen. Aber wieso soll man sich nicht mit den Unterdrückten solidarisieren dürfen? Sogar der afrikanische Reggae-Sänger Alpha Blondy betont in einem Lied, dass es nicht nötig ist, Schwarz zu sein, um ein Rasta zu sein. Darum erschliesst sich mir nicht, was daran falsch sein soll.
Aber mir erschliesst sich, was solche Aktionen verursachen. Genau, Abgrenzung. Die Neonazis zeigen mit ihrer Kleidung ihre Zugehörigkeit. Um sich als Gruppe zu stärken und sich abzugrenzen. Genauso grenzt es aber ab, wenn man von Aussen versucht, Symbole nur einer Bevölkerungsgruppe zuzugestehen. Man isoliert und schubladisiert diese Gruppe. Stigmatisiert sie. Nur die dürfen das.
Egal, welche fanatische Ideologie Symbole zu ihrem Zwecke kapert, und egal aus welcher Motivation: Es ist falsch. Abgrenzung und Stigmatisierung spalten. Immer!
«Dem Schein steht die Realität gegenüber; dem Irrtum die Wahrheit.»
Arthur Schopenhauer, Philosophische Vorlesungen Band 1, S.200
Ich werde mich auf jeden Fall immer freuen, wenn ich Weisse sehe, welche Rastas tragen. Denn das ist ein klares Statement gegen Rassismus.
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Zum Ansehen:
Die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse in der Sternstunde Philosophie (übrigens ein sehr aufschlussreiches Gespräch):
«Das Moralgeschrei und der Bekenntniszwang ist ein Ausweis für ein Wohlstandsproblem. Moralgeschrei hat immer etwas mit Fanatismus zu tun.»
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Die mutige Entscheidung:
Arthur Hübscher hat, die ursprünglich von Paul Deussen initiierte Schopenhauer-Ausgabe, mit dem 16. Band vervollständigt und in Frakturschrift herausgegeben. Und zwar im Jahr 1942, also nach der Ächtung der Frakturschrift seitens des Regimes. Das war angesichts der Umstände eine mutige Entscheidung, zumal Schopenhauer mit seiner Mitleidsethik für die Nationalsozialisten sicher ein rotes Tuch war. Respekt!