Wenn wir uns das Narrenbein anstossen, passieren zwei interessante Dinge. Erstens: Es elektrisiert uns, auch wenn weit und breit kein Strom ist. Zweitens: Der Ellbogen tut weh, was verwunderlich ist, da der Gegenstand, mit dem wir zusammengestossen sind, und wir selber eigentlich aus nichts bestehen.
Wieso denn aus nichts? Wegen der Grösse der Atombausteine. Für uns ist schon die Grösse, bzw. die Kleine, eines Atoms gar nicht richtig fassbar. Geschweige denn die von den Atombausteinen, den Quarks. Uns fehlt komplett der Bezug. Und noch weniger vorstellbar für uns ist, wie viel Leere in so einem Atom ist. Wir können es nur mit Grössen, zu denen wir auch einen Bezug haben, vor Augen führen.
Wenn ich zum Beispiel ein Atomkern wäre (Körpergrösse 1,70 m), dann wäre das Elektron, welches mich umkreist, ca. 50 km weit weg. Das Elektron wäre nur 0,1 mm gross. Es wäre selbst mit dem besten Teleskop der Welt nicht zu erkennen. Und zwischen den beiden Leere.
Der Atomkern selbst, also die Protonen und Neutronen, der besteht dann aus einer Handvoll Quarks. Diese gelten als punktförmige Entitäten ohne wirklichen Durchmesser. Sie sind mindestens 10’000-mal keiner als so ein Proton oder Neutron selbst. Wenn wir das Beispiel mit dem Atomkern (so gross wie ich) weiterführen, dann wären die Bestandteile des Atomkerns, die Quarks, noch viel viel kleiner als das Elektron vom vorherigen Beispiel. Also auch hier: Innerhalb des Atomkerns eine unglaublich gähnende Leere.
Und diese winzigen Teilchen halten so stark zusammen, dass man einen riesigen LHC (Large Hadron Collider) bauen muss, um sie zu spalten. Man muss Unmengen Energie aufwenden, um die Teilchen in einem Beschleunigungsring von fast 27 km Länge auf 99 % der Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Wenn man sie dann zusammenkrachen lässt, braucht man einen ungeheuren Detektor, um die Teilchen zu erkennen. Unvorstellbar, oder?
Der Atlas-Teilchendetektor im CERN. Bildnachweis: CERN
Den umgekehrten Weg, den Aufbau der Materie, kann man sich ja schon eher vorstellen. Wenn man einfach geistig unzählige Atome aneinanderreiht, dann gibt es irgendwann irgendetwas Grösseres. Dass aber aus einem Haufen Materie, welcher aus Myriaden dieser aberwitzig kleinen Bauteile zusammengesetzt ist, ein funktionierender Organismus entsteht, dem dann auch noch Leben eingehaucht wird, das ist ein Wunder. Und wenn dann aus diesem Haufen aus vorwiegend nichts auch noch ein denkendes Wesen mit einem Selbstbewusstsein entsteht, das vielleicht auch noch beginnt, genau diese Zeilen hier zu schreiben, das ist erst recht unvorstellbar. Ich konnte mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, zu schreiben, bevor ich diesen Blog gestartet habe.
Also, wenn ihr euch wieder mal den Ellbogen anstösst, denkt dran: Es ist nichts.
_____________________
Zum Nachdenken:
«Der Mensch ist etwas anderes als ein belebtes Nichts – und das Tier auch. Wer da meint, sein Dasein sei auf sein jetziges Leben beschränkt, hält sich für ein belebtes Nichts: denn vor dreißig Jahren war er nichts und über dreißig Jahre ist er wieder nichts.»
Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena
_____________________
Zum Anschauen:
Prof. Dr. Gerd Ganteför von der Uni Konstanz hat eine Gabe die Teilchenphysik verständlich zu präsentieren. Er beginnt bei den antiken Philosophen und zieht den Bogen bis zu den modernsten Erkenntnissen. Sehr wissenschaftlich, aber auch hochspannend und sehenswert. Das Wissen, das man durch diesen Vortrag bekommt, reicht schon fast für eine Bewerbung beim CERN:
Woraus besteht die Welt?
_____________________
Zum Nachlesen:
Das Grössenverhältnis zwischen Atomkern und Atomhülle