Afrika 1990. Wir sind umzingelt von Schwarzen. Es müssen Hunderte sein. Im Hintergrund höre ich: «What is it, you are fighting for?» Es gibt kein Entkommen. Schon wieder prostet mir einer mit seinem Bier zu und von links streckt mir schon wieder einer eine Tüte entgegen. Man kann nicht Nein sagen. Nicht heute.
Es ist der 24. März 1990. Vor 3 Tagen hat Namibia nach mehr als 100 Jahren Fremdbestimmung, seine Unabhängigkeit erklärt. Eine lange Zeit von Ausbeutung und auch Gewalt gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Und jetzt findet es im Windhoekstadion statt: The Concert. Einfach nur «The Concert», denn es wird hier kein zweites gleichbedeutendes Konzert geben. «Prince and the Buffaloes», damals noch so unbekannt, sodass sie es nicht mal aufs Plakat geschafft haben, stehen gerade auf der Bühne und singen ihr Lied «Stop the War».
Die ausgelassene Stimmung ist ansteckend. Und die Herzlichkeit gegenüber uns Weissen ist verblüffend. Vielleicht liegt es ja ein bisschen an meinem T-Shirt mit der neuen Namibia-Flagge darauf, welches ich auf dem Weg hierher von einem Strassenhändler gekauft habe. Aber vor allem liegt es an den anderen. Denn die hätten allen Grund, uns Weissen mit Argwohn und Ablehnung zu begegnen. Aber keine Spur davon. Ich bin heute noch erstaunt, wie auf dieser Feier die Grenzen zwischen Schwarz und Weiss komplett aufgehoben waren. Ein wunderschönes, aber leider seltenes Erlebnis.
Darum geht es in diesem Beitrag: Um die anderen. Die Anderen – das ist ein Begriff und auch eine Denkweise, um sich abzugrenzen. Klarzumachen, dass man von jemandem redet, der anders ist. Man denkt oder redet nicht von seiner eigenen Familie von den anderen, die gehören ja zu uns. Aber schon bei den Nachbarn fängt es an. Und wenn die dann auch noch eine andere Sprache sprechen und eine andere Herkunft haben, dann sowieso.
Was ganz schlimm an dieser Denk- und Redeweise ist: Sie spaltet. Sie kann sogar funktionierende Gesellschaften zerstören. Es ist das «Einmaleins» des Populismus: Es sind immer die Anderen, die Schuld sind oder die einem etwas wegnehmen wollen. Den eigenen Wohlstand gefährden.
Wenn man aber mal eine Erfahrung, wie oben beschrieben, erlebt hat, dann merkt man, dass diese Grenzen zu den anderen nur konstruiert sind. Nur in unserem Kopf. Von uns selbst aufgebaut oder vielfach auch von aussen in unseren Kopf eingepflanzt. Dieser Begriff ist ein Unwort und sollte eigentlich abgeschafft werden. Wie eigentlich, das ist auch ein Unwort.
Ich kann nur empfehlen, über das Lieblingszitat von Arthur Schopenhauer aus den Upanishaden nachzudenken.
Es gibt sie nicht, die Anderen.
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Schopenhauers Lieblingsvers aus den Upanishaden bringt das gut auf den Punkt. Wir entspringen alle ein und demselben:
Tat Twam Asi – Das bist du
Upanishaden, alt-indische Veden
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Zum Nachlesen und Anhören:
Das «Tat twam asi» in der Ethik Schopenhauers
Prince and the Buffaloes