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Der Gefühlvolle

David Hume
David Hume

Bildnachweis: Allan Ramsay (Public Domain)

 

Seine Gedanken hatten ihn in eine menschenleere Einsamkeit geführt. Als Ungeheuer hatte er sich gesehen, welches nicht geeignet war, mit Menschen zu leben. Schutz und Wärme hatte er gesucht, aber er konnte sich nicht entschliessen, unter Menschen zu gehen, entstellt wie er war. Er rief andere dazu auf, sich ihm anzuschliessen, aber alle hielten sich in respektvoller Entfernung, um nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden, wenn seine Gegner auf ihn einstürmen.

Nein, das ist nicht von mir. Das hat David Hume über sich selbst geschrieben, in seinem Traktat über die menschliche Natur.

Er hat gelitten. Von klein auf. Hochbegabt, sensibel und kränklich, wie er war. Und gefürchtet hat er sich. Mit seinen Schriften ist er angeeckt, vor allem auch bei der Kirche. Priester bezeichnet er als Feinde der Freiheit, die nur aus Eigennutz handeln («Essays, Moral, Political, and Literary»). Die drei heiklen Schriften «Dialog über natürliche Religionen», «Über Selbstmord» und «Die Unsterblichkeit der Seele» hat er, aus Angst vor Skandalen, erst nach seinem Tod veröffentlichen lassen.

Sein Erstlingswerk wurde sogar anonym publiziert. Und es wurde von der Fachwelt einfach ignoriert. «Totgeburt» hat Hume es genannt. Es war vielen zu komplex, zu unverständlich. Hume verlangt darin seinen Lesern tatsächlich viel ab. Es ist schwierig, ihm und seinen Gedankensprüngen zu folgen. Nicht wenige Male verliert man beim Lesen den roten Faden. Wie kommt er jetzt darauf? Er hat doch vorhin noch von etwas komplett anderem gesprochen. Wieder ein paar Seiten zurück … 

David Hume zeigt in seinem Traktat über die menschliche Natur gnadenlos auf, wie unser Bewusstsein funktioniert. Wie wir trotz unserer eigenen, meist zu hohen Selbstwahrnehmung von unseren Affekten beeinflusst werden. Das rückt das eigene Ego in ein etwas bescheideneres Licht. Und das ist gut so.

David Hume ist für mich auch einer der ganz Grossen. Eine Herausforderung für den Geist und das Ego.

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Zum Nachlesen:

Das Ungeheuer in «Traktat über die Menschliche Natur»

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Ausgabe von J.H. v. Kirchmann aus 1888:

Hume